Am Anfang ist das Wort. Ein Gespräch unter Kollegen bringt Pastor Kurt-Ulrich Blom¬berg auf den Weg. Schon lange überlegt der Hirte der evange¬lischen Kirchengemeinde Gra¬ve, wie man die Kirche neu ge¬staken kann. „Der sakrale Cha¬rakter muss stärker heraus¬kommen", ist sein Ziel. Die Neugestaltung des Gotteshau¬ses in den 70er Jahren lässt den Innenraum sehr puristisch erscheinen. Bei uns in der ka¬tholischen Kirche gibt es eine Kunstkirche, daraus kann man sich bedienen", erzählt sein katholischer Kollege Michael Kreye. Am nächsten Tag spricht Blomberg mit Hasso von Poser, Kunstreferent der -hannoverschen Landeskirche.
„Ich glaube, ich habe da etwas für sie", macht von Poser dem Graver Pastor Hoffnung. In der kleinen Kapelle von Langenre¬der bei Hannover gibt es ein neues Kunstwerk von einem Künstler der Leipziger Schule. Michael Triegel heißt der Künstler, der im Stil und der Manier der alten Meister malt. Blomberg und der Graver Kir¬chenvorstand fahren nach Langreder und nehmen das Predel¬la-Gemälde Triegels in Augen¬schein. Danach passiert alles sehr schnell. Pastor Blomberg, Kirchenvorstandsvorsitzende Angelika Hörling und die Vor¬standsmitglieder sind sehr ange¬tan. „Das wäre doch was für un¬sere Kirche", heißt es.
Hasso von Poser und Pastor Blomberg sprechen mit Triegel. Ob er sich vorstellen könne, für die Kirche in Grave einen Altar zu malen. Er kann. „Ich möchte euren Altar gestalten", sagt er den Kirchenvertretern. Aber zunächst muss die Finanzierung geklärt werden. Der Altar würde in der Ausführung als Flügelal¬tar samt Installation insgesamt 70.000 Euro kosten. Nadia von Grone hat schließlich die retten¬de Eingebung. Die frühere Syn¬odalin der Landeskirche bringt
das Förderprogramm Leader+ ins Spiel. Ein Werk von Triege1 wäre eine Attraktion, in Kombi¬nation mit der Solarähre und dem Weserradweg könnte das Besucher nach Grave locken. Leader+ sagt ja zu dem Antrag aus Grave und stellt die Hälfte des Geldes zur Verfügung, die andere Hälfte wird aus Eigenmitteln der Kirchengemeinde; des Landkreises, der Gemeinde Brevörde und der Landeskirche bestritten. „Ohne Leader+ wäre das aussichtslos gewesen", sagt Pastor Blomberg.
Zusammen mit Michael Trie¬gel wird der Entwurf für den neuen Altar besprochen. Es soll ein Altaraufsatz in Form eines zweiflügelig aufklappbaren Altarbildes werden. Die Außen¬flügel sollen sich auf den Text
aus der Offenbarung des Johan¬nes beziehen, der über dem Ein¬gangsportal der Kirche zu lesen ist: cito veni domini jesu - komm schnell, Herr Jesus. Das Zentralbild soll die Geburt Jesu dar¬stellen, die Innenflügel die Sa¬kramente Taufe und Abendmahl. Dazu sollen alttestamen¬tarische Entsprechungen dargestellt werden.
Im Oktober des vergangenen Jahres beginnt Michael Triegel mit dem Altar. Bis Pfingsten muss alles fertig sein, denn dann soll der neue Altar geweiht und der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Immer wieder spricht Triegel mit Pastor Blomberg und schickt Fotos über den Fortgang der Arbeit. Und er lädt den Kirchenvorstand ein, ihn in seinem Atelier zu besuchen. Sechs Mitglieder des Kir¬chenvorstandes nehmen die Einladung an und machen sich auf den Weg nach Leipzig. Dort hat Michael Triegel in einer al¬ten Spinnerei sein Atelier. Pa¬stor Blomberg, Angelika Hör¬ling, Hermann Rose, Marlies Kohrs, Heike Jürgens und Anet¬te Lindthorst-Gömann sind ge¬spannt, als sie sich mit dem Transporter des Jugendzen¬trums Klex auf den Weg ma¬chen. Nach vier Stunden Fahrt ist es endlich soweit. Michael Triegel begrüßt die Delegation als Grave und führt sie zum Altar.
Der erste Eindruck ist über¬wältigend. Die Graver Kirchen¬vertreter sind sprachlos. Auf drei Stühlen steht das fast fertige Altarbild. Langsam gehen sie auf das Werk zu und und be¬trachten es ehrfürchtig. Die Ge¬burtJesu steht im Mittelpunkt, das linke Flügelbild zeigt die Taufe Jesu durch Johannes, das rechte das Letzte Abendmahl. Auf dem zugeklappten Altarbild ist das Jüngste Gericht zu sehen. Hieran arbeitet Triegel im Mo¬ment. „Das ist mein schönster Auftrag bisher", bekennt der Künstler, der sich zwar an den alten Meistern orientiert, sie aber nicht kopiert.
„Ich bin überwältigt", be¬kennt Hermann Rose, „so malen zu können ist eine wirkliche Ga¬be". Auch Marlies Kohrs und Heike Jürgens sind begeistert. „Die Farben springen richtig ins Auge, einfach wunderbar." An¬gelika Hörling lobt die bildhafte Darstellung. „Was für Einzel¬heiten zu erkennen sind, ist ein¬fach unglaublich." Kurt-Ulrich Blomberg und Annette Lind¬horst-Gömann erkennen beson¬dere Details. „Die Taufe Jesu am Jordan, aber das sieht doch aus wie Steinmühle im Hinter¬grund.” Triegel klärt auf. „Es ist Steinmühle, sozusagen als lokale Geste in dem Werk." Nach dem ersten Eindruck sprechen die Graver Kirchenvertreter inten
Natürlich habe er zu Beginn einen konkreten Plan gehabt, die Skizzen hängen an der Ate¬lierwand. Doch bestimmte Din¬ge ergeben sich während des Malens. So rückt ein toter Schwan ins Bild des jüngsten Gerichtes, gerade zu dem Zeit¬punkt als in Deutschland der er¬ste Schwan mit Vogelgrippe entdeckt wird. „Aber das hat nichts mit schwerwiegenden In¬terpretationen zu tun", macht er klar.
„Es freut mich, wenn sie sa¬gen: Das ist ein schönes Bild." Und für die Besucher ist Grave ist das Altarbild ein wunder¬schönes Bild. Auf der Rückfahrt von Leipzig nach Grave sind al¬le zufrieden. „Wir sind sehr froh, dass wir das gemacht ha¬ben und den Auftrag an Michael Triegel gegeben haben."Jetzt sind sie gespannt auf die Reak¬tionen der Menschen in Grave und Umgebung, wenn der Altar vorgestellt wird. (fhm)